„Mach‘ doch ´mal ein wenig Platz.“
„Aber wohin? Es wird hier immer enger.“
„Du machst dich so breit. Siehst auch so merkwürdig aus- braun und eckig. Wo kommst du denn her?“
„Ich komme aus Rajasthan“, antwortete das flache, dicke Glastöpfchen.
„Rajasthan? Wo ist das denn?“ „In Nordwestindien“, so die stolze Antwort.
„Und da gibt es auch Parfüm?“
„Und ob! Aber ich bin kein Parfüm. Ich bin ein Heilmittel, ‘Tiger balm‘.“
„Und du?“ Das elegante, etwas bizarr geformte Fläschchen rümpfte hörbar sein vornehmes Näschen.
„Ich stamme von einem Basar im Jemen.“
„Jemen, ist das dort wo Krieg ist? Deshalb siehst du so verknautscht aus“, fiel wissend ein schmaler Flacon ein.“Da hast du wohl vom Krieg etwas abbekommen.“
„Du, da hinten in der Ecke, du bist ja schon ewig hier. Wahrscheinlich schon längst leer. Dich könnte sie nun wirklich ´mal entsorgen. Dann hätten wir auch mehr Platz.“
Das schlichte Fläschchen kicherte:“Das glaube ich kaum.“ Und nach einer dramatischen Pause, in der alle gespannt die Luft anhielten, fuhr es fort: „Nicht, wenn ihr meine Geschichte kennen würdet.“
„Nun, erzähl‘ schon. Woher stammst du?“
„Aus Kairo.“ „Ja, und?“ „Was ist daran so spannend?“
„Na, immerhin aus dem Land, in dem das Parfüm vor vielen tausend Jahren erfunden wurde. Aber ich bin weder ein Parfüm, noch ein Eau de Toilette“, dabei blickte es abfällig in Richtung Flacon, „ wie die meisten von euch.“ „Sondern? Nun mach‘ schon“, drängte die Bizarre.
„Ich bin eine Essenz!“ „Und was heißt das?“
„Ihr habt also keine Ahnung. Ein paar Tropfen einer Essenz macht das Parfüm erst zum Parfüm und sorgt für einen haltbaren Duft“, erklärte es stolz.
„O.k. und was ist das nun für eine Geschichte mit dir? So besonders riechst du doch gar nicht.“
„Habe ich aber! Und wie! Ihr ist nämlich auf dem Heimflug mein Bruderfläschchen kaputt gegangen und hat sich im Gepäck verteilt. Könnt ihr euch das vorstellen? Eine Essenz, also ein Konzentrat, unverdünnt ist kein Duft mehr, sondern ein Gestank! Eine Essenz muss ja erst mit destilliertem Wasser und Alkohol verdünnt werden.“
Alle schwiegen erschrocken.
„Zum Glück bevorzugt sie ja nicht so süßlichen Duft. Der riecht als Konzentrat richtig widerlich. Der stinkt. Sie hätte all ihre Sachen wegwerfen müssen.“
„So viel zur Macht des Duftes“, sinnierte ein unscheinbares Fläschchen.
„Ich bin nicht so weit gereist wie ihr.“ Erwartungsvolles Schweigen.
„Ich komme vom ALDI – von der Wühltheke.“
„Das sieht man dir gar nicht an“, wunderte sich die Aparte. „Aber sicherlich auch nur ein Eau de Toilette.“
„Ich aber nicht“, meldete sich zwar leise, doch energisch ein kleines, rundes, unscheinbares Gläschen aus der hintersten Ecke.
„Ach, ja, du bist auch schon ewig dabei, hast richtig Staub angesetzt.“ „Dich habe ich noch nie gesehen. Und du bist richtiges Parfüm?“
„Etwa aus dem Duty-free im Flughafen?“ „Nein, mich hat ihr Mann geschenkt.“ „Ist das der Grund, dass du noch immer hier bist?“
Verschämtes Getuschle.
„Dann sind wir hier wohl so etwas wie versammelten Erinnerungen? Behält, ich meine, erinnert man sich an Düfte nicht besonders lang?“
„Zumindest sind sie stark an Emotionen geknüpft“.
„Wofür wir wohl ein Beispiel sind.“